Gregor Beyer mit Abschiedsgeschenk der SDW am 13.05.2023

Mehr NGO – nicht weniger!

Die nachfolgende Rede wurde als Rechenschaftsbericht - es gilt das gesprochene Wort - anlässlich der Delegiertenversammlung der SDW Brandenburg am 13.05.2023 in Paaren im Glien gehalten. Nach vielen spannenden Jahren im Landesvorstand habe ich nicht erneut als Landesvorsitzender kandidiert. Meine SDW werde ich aber sicherlich als einfaches Mitglied weiterhin begleiten :-)

 

Liebe Mitglieder der SDW,
werte Damen und Herren aus der Politik,
aus der Verwaltung und aus den Verbänden,
sehr geehrte Damen und Herren,

da ist er nun, mein letzter Rechenschaftsbericht als Landesvorsitzender unserer SDW. Ich habe es immer als eine der größten Errungenschaften der Demokratie verstanden, dass Vorsitzende von Zeit zu Zeit über ihr Tun Rechenschaft abzulegen haben. Wir haben es uns allerdings schon vor einiger Zeit zur guten Sitte gemacht, dass wir diesen Rechenschaftsbericht in zwei Teile trennen, auch wenn es rein formal nach unserer Satzung der Rechenschaftsbericht des Vorstandes bleibt.

Daher habt Ihr zunächst den sogenannten operativen Rechenschaftsbericht aus unserer Geschäftsstelle gehört. Denn in der Tat ist es so, dass die Hauptlast in der Arbeit unserer Schutzgemeinschaft auf den Schultern unserer hauptamtlichen Geschäftsstelle liegt. Ich möchte daher direkt anschließend an die Ausführungen unserer Geschäftsstelle einen sehr herzlichen Dank an die beiden Geschäftsführer senden, sowohl an Michael Knopf wie auch an Felix Mueller.

Ich habe in meinen Jahren als Landesvorsitzender viele Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer erleben dürfen, wobei die Phase mit Michael Knopf wohl die kürzeste in dieser Reihe war, dafür aber genauso vertrauensvoll wie alle anderen zuvor. Felix Mueller hingegen gehört zu jenen, mit denen ich in der Tat etwas länger zusammenarbeiten durfte. Diese Zusammenarbeit war von einer besonderen Qualität geprägt, über die ich bei der Verabschiedung von Felix schon gesprochen habe. Ich möchte mich daher bei beiden an dieser Stelle ganz herzlich für ihr Engagement, genauso auch bei allen anderen KollegInnen unsere Landesgeschäftsstelle, bedanken – Ihr macht einen hervorragenden Job!

Aus den Ausführungen unseres Geschäftsführers konnte man bereits zweifelsfrei entnehmen, dass die vergangene Legislatur des Vorstandes von Wachstum geprägt war. Wachstum bei den Aufgaben und bei den Projekten, was ich an dieser Stelle nicht zusätzlich ergänzen möchte, aber auch von Wachstum in den Finanzen des Verbandes. Hätte man mir zu Beginn meiner Amtszeit einmal vorausgesagt, dass es in der SDW Brandenburg mal ein Wirtschaftsjahr geben würde, in welchem wir die 100.000 € Spendengrenze überschreiten, so hätte ich das schlichtweg für unmöglich gehalten.

Auch dies zeigt uns, wie sehr unsere Arbeit für den Wald geschätzt wird und wie sehr wir momentan mit unseren Themen einen Nerv der Gesellschaft treffen. Ich will mich daher auch gar nicht intensiv mit den Projekten oder den Finanzen beschäftigen, sondern fokussiere mich auf die politischen Aufgaben in der Vorstandsarbeit. Denn typisch für unsere SDW ist es auch, dass wir neben unserer inhaltlichen Projektarbeit und dem operativen Geschäft auf der Ebene unserer hauptamtlichen Geschäftsstelle gleichzeitig die genauso wichtige politische Arbeit, die auch aus gutem Grund als Aufgabe in unserer Satzung verankert ist, in der Hand des ehrenamtlichen Landesvorstandes intensiv betreiben. Ich möchte mich diesbezüglich auf einige wenige Punkte fokussieren, die teilweise schon in den Grußworten angesprochen wurden.

Ja, es war sicherlich auch ein Erfolg der SDW, dass im Koalitionsvertrag der gegenwärtigen Landesregierung das Vorhaben der Novelle des Waldgesetzes verankert werden konnte. Mein Dank gilt heute auch nochmal unter anderem Michael Luthardt, Wolfgang Roick und auch Isabell Hiekel, denn die Notwendigkeit für diese Novelle war in allen drei Farben der Verhandlungsgruppe unumstritten. Ich selbst habe diesbezüglich nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass ich die Novelle des Waldgesetzes als die wichtigste unter den Novellierungsvorhaben der Landesregierung im Landnutzungs- und Umweltbereich angesehen habe. Leider müssen wir heute feststellen, dass dieses Vorhaben auch kurz vor Ende der aktuellen Legislatur weder umgesetzt wurde noch gegenwärtig zumindest in den Startlöchern steht.

Ich vertrete diesbezüglich nicht die Auffassung, dass es politisch angeraten ist, erst eine Novelle des Bundeswaldgesetzes abzuwarten. Die Probleme im Land Brandenburg bei der Bewirtschaftung unserer Wälder, und das sind in der Tat nicht nur Landeswälder, sondern im überwiegenden Anteil Privat- und Kommunalwälder, bedürften dringend einer Neujustierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen. Hier wünsche ich mir manchmal etwas mehr bayrisches Selbstbewusstsein im Sinne von „Mir san mir“! Denn die zweifellos bestehenden Probleme für die Waldbewirtschaftung müssen angegangen werden, ohne dabei auf andere oder gar die Bundesregierung zu schielen, die sich in diesem Thema weder in der aktuellen noch in der letzten Legislatur des Bundestages allzu sehr mit Ruhm bekleckert hat.

In diesem Kontext ist sicherlich auch das Jagdgesetz zu sehen, das in den Grußworten schon umfassend angesprochen wurde. Ich bitte allerdings um Verständnis, dass für mich die in einem kleinen Kreis getroffene Vereinbarung, Stillschweigen zu bewahren, eine Zusage ist, die Ehrenwortcharakter besitzt, wenngleich, sich in der Politik an solche Vereinbarungen zu halten, nicht unbedingt die vorherrschende Methode ist. Ich will aber wenigstens so viel an dieser Stelle dazu sagen, dass ich momentan verhalten vorsichtig meiner eigenen Einschätzung aus einem Interview vom Anfang dieses Jahres widersprechen würde, wonach ich keinerlei Hoffnung mehr für das Jagdgesetz sehe. Es könnte in der Tat noch möglich werden, dass uns in einer Reihe von Schnittmengen zwischen den Verbänden und der Politik vielleicht in letzter Sekunde noch eine kleine Novelle der Jagdgesetzgebung gelingt. Aus meiner Sicht wäre das sowohl naturschutz- wie landnutzungspolitisch dringt notwendig! Und wenn mir dann einer von den wenigen Vertretern der Jagdverbände um die Ecke biegt, die erneut mantraartig lamentieren, dass man aber gar keine Veränderung in der Jagdgesetzgebung brauche und wolle, dann empfehle ich immer, an die Sache mit dem Zug und dem Bahnhof zu denken. Zu glauben, im richtigen Zug zu sitzen, heißt noch lange nicht, dass am Ende nicht doch der Bahnhof abfährt.

Damit möchte ich überleiten zu einem anderen Thema, dass eine meiner Vorrednerinnen im Grußwort, ohne dass das abgesprochen gewesen wäre, schon angeschnitten hat. Ja, in der Tat, es ist mehr als löblich, dass es uns in dieser nun zu Ende gehenden Amtszeit des Landesvorstandes gelungen ist, unsere Aktivitäten beim Pflanzen von Bäumen um ein Vielfaches zu steigern. Auch hier gilt mein Dank den hauptamtlichen KollegInnen in der Landesgeschäftsstelle, die natürlich auch hier die Hauptlast der Arbeit getragen haben. Ja, es macht Sinn, Menschen, die nicht so eng mit dem Thema Wald verbunden sind wie wir in der SDW, über das Pflanzen von Bäumen das Thema Wald näher zu bringen. Wir dürfen allerdings niemals dabei vergessen, dass die Notwendigkeit zum Pflanzen von Bäumen im Wald immer auch bedeutet, dass wir zuvor Fehler gemacht haben. Denn auch wenn es niemals gänzlich ohne das Pflanzen von Bäumen funktionieren wird, so muss in der Forstwirtschaft das Pflanzen von Bäumen doch immer eine Ausnahmeerscheinung bleiben, bei der wir Störstellen oder problematische Bodensituation temporär ausgleichen, damit sich langfristig der Wald von alleine verjüngen kann!

Die künstliche Verjüngung unserer Wälder ist daher immer ein Reparaturbetrieb und eine waldbaulich temporäre Ausnahme! Ziel bleibt es, dass sich der Wald – auch der Wirtschaftswald – natürlich verjüngt und allein aufwächst!

Ich kann für die Zukunft nur empfehlen, dass wir Baumpflanzungen weiterhin für die Öffentlichkeitsarbeit und Umweltbildung nutzen, dabei aber auch immer deutlich machen, dass unser Erfolg im Bemühen um die Etablierung von naturgemäßen Wäldern darin liegt, dass wir zukünftig auf das Pflanzen von Bäumen verzichten können.

Und hierbei gehört übrigens auch untrennbar dazu – und damit schließt sich wieder der Kreis zum Jagdgesetz – dass auf der Fläche des Landes ein Wildbestand vorherrschen muss, der das Aufwachsen der Waldbestände ohne Entmischung, bei verträglichen und finanzierbaren Einflüssen des Wildes, ermöglicht. Daher bleibt es dabei, dass Jagd immer nur eine dienende Funktion des Waldbaues ist. Der Blick der SDW muss daher immer auf den aufwachsenden Baumbestand gerichtet sein.

Wenn das Bild, das wir dort sehen, ein nach dem eisernen Gesetz des Standortes gesunder, vielfältiger und stabiler Bestand ist, dann kann uns die Höhe des Wildbestandes herzlich egal sein. Wenn das aber nicht so ist, dann managen auch wir in der SDW das Wild so lange, bis sich unser Auge wieder an den Bäumen, die wir nicht pflanzen mussten, erfreut!

Abschließend möchte ich noch einen weiteren Aspekt ansprechen, der mir auch persönlich sehr wichtig ist. Ich glaube heute, nach über 30 Jahren in der Politik – sei’s in der Verbandspolitik, der Parteipolitik oder in anderen gesellschaftspolitischen Feldern – dass wir zweifelsfrei mehr NGO und nicht weniger brauchen. Es ist absolut berechtigt und auch richtig, wenn wir unsere NGOs als die fünfte Gewalt im Staate darstellen.

Die ersten drei Gewalten ergeben sich aus unserer Staatsphilosophie, die wir dringend wieder viel stärker trennen müssen und insbesondere die Legislative unabhängiger von der Exekutive aufstellen sollten. Was die sogenannte vierte Gewalt im Staate anbelangt, so könnte man vieles über deren gegenwärtigen Zustand sagen. Sei es, was die jüngere Vergangenheit unseres öffentlich-rechtlichen Mediums anbelangt, sei es mit dem Fokus um aktuelle Auseinandersetzungen von Verlegern und ehemaligen Chefredakteuren. Tatsache ist aber auch hier, wir brauchen mehr und nicht weniger freie Presse und Berichterstattung.

Und genau das Gleiche trifft auch auf die fünfte Gewalt in unserem Land, dem weiten Feld der NGOs, zu. Dabei gilt für mich heute mehr als jemals zuvor der Grundsatz, dass auch NGOs auf einem klaren Fundament von Werten fußen müssen, die nicht zur Disposition gestellt werden dürfen. Und daher will ich hier heute abschließend auch noch einmal deutlich machen, dass es für mich ein absolutes „No-Go“ war, dass ausgerechnet meine SDW mit dem Grundsatz gebrochen hat, dass eine NGO, also eine „Nicht-Regierungs-Organisation“, niemals von einem aktiven Regierungsmitglied geführt werden darf. Noch nicht einmal die klassischen großen Naturschutzverbände wie NABU oder BUND haben es bisher gewagt, eine aktive Landesministerin mit dem Vorsitz ihrer Organisationen zu betrauen. Dass ausgerechnet meine SDW diesen Präzedenzfall in der Republik geschaffen hat, damit habe ich lange mit mir selbst gehadert, und dies ist auch ein Grund dafür, warum ich nicht erneut kandidiere.

Deshalb sage ich es noch einmal an dieser Stelle. Wir brauchen nicht weniger, wir brauchen mehr NGO in unserem Land. Aber diese müssen auch ihrem Auftrag und ihrem eigenen Wertegerüst, ihrer Compliance, genügen. Meine SDW hat auf der Ebene des Bundesverbandes den Sündenfall begangen und damit deutlich gemacht, dass auch NGOs anfällig sind für den Verfall von Werten, den wir momentan in der Gesellschaft und in der Politik mehrfach erleben – ich bedaure das zutiefst!

Wehrte Freunde in der SDW,

damit komme ich zum Ende! Ich habe mir bereits gestern hier auf der BraLa so meine Gedanken gemacht, wie ich heute und hier schließen möchte. Ich habe gestern bei der großen Bauernversammlung neben Rüdiger Schubert und Udo Folgart gesessen, und es tat gut, sich wieder mal mit ihnen der ein oder anderen Episode aus vergangenen politischen Tagen zu erinnern. Und es gibt auch andere, die viel zu früh gegangen sind, die ich gelegentlich im Land und für das Land schmerzlich vermisse. Und so habe ich mich heute dazu entschlossen, hier so zu schließen, wie einer von jenen, die ich ganz besonders vermisse, vor einigen Jahren bei einem Parteitag geschlossen hat.

Also in diesem Sinne: „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt, und das bin ich! Und für die SDW ab jetzt nicht mehr…

Es war mir eine ganz besondere Ehre!