Hirsche im Brunftkampf

Potsdamer Brunfthirsche

Das nachfolgende Interview ist am 07. November 2022 in der Printausgabe des Nordkurier (Landeskurier Brandenburg/Berlin) unter dem Titel "Waldbesitzer-Lobbyist wettert über Potsdamer Brunfthirsche" erschienen. Es wird hier mit freundlicher Genehmigung wiedergegeben.

Der langjährige Vorsitzende der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald in Brandenburg, Gregor Beyer, hat in der vergangenen Woche angekündigt, im kommenden Jahr nicht mehr für eine Wiederwahl zur Verfügung zu stehen. Einer der Gründe dafür: Die verfahrene Situation bei der Novelle des Jagdgesetzes. Unser Korrespondent Benjamin Lassiwe hat mit ihm darüber gesprochen.

Herr Beyer, warum der Rückzug mitten in der Debatte um Waldgesetz und Jagdgesetz?

Der Hauptgrund, auf eine erneute Kandidatur zu verzichten, liegt in beruflichen Veränderungen. Zudem bin ich seit Jahren der Meinung, dass zu häufige Wiederwahlen ein Fluch der Demokratie sind. Ich habe manche Debatten der letzten Jahre mitgestaltet, einige sagen gelegentlich sogar: geprägt. Es kommt dann der Punkt, an dem man sich selbst sagt: Genug ist genug.

Die Debatte um das Jagdgesetz ist momentan in eine Sackgasse geraten. Warum wollen Sie da nicht mehr mitspielen?

Ich bin nun mittlerweile seit 30 Jahren an jagdpolitischen Debatten beteiligt und kann die Novellen von Jagdgesetzen in dieser Zeit nicht mehr zählen. Die aktuelle Debatte in Brandenburg ist aber von allen die deprimierendste. Nie lag nach den eindeutigen Bestimmungen in einem Koalitionsvertrag und den Vorlagen verschiedener Verbände der Ball so knapp vorm Tor. Jagdpolitik ist in der Tat eines der emotionalsten politischen Themenfelder, man hätte den Ball jedoch nur noch leicht anstoßen müssen. Stattdessen erleben wir momentan einen öffentlichen Schlagabtausch, für den ich nicht in Versuchung geraten möchte, ein Adjektiv zu finden. Ich habe ehrlich gesagt nur noch wenig Hoffnung, dass aus dieser Novelle noch was werden kann.

Sie waren an der Erarbeitung des Koalitionsvertrag beteiligt. Woran liegt es, dass es trotz der mittlerweile zwei vorliegenden Entwürfe nicht vorangeht?

Aus meiner Sicht gibt es zwei Gründe dafür: Es gab zum einen im Koalitionsvertrag die einmütige Ansage für eine Novellierung des Jagdgesetzes unter der besonderen Zielsetzung der Minimierung von Wildschäden. Vorgelegt wurde jedoch nun schon zum zweiten Mal ein sogenanntes Vollgesetz, was nach den Regeln des politischen Handwerks eine ziemlich dilettantisch gestellte Machtfrage war. In dieser Situation entglitt uns allen dann zusätzlich der politische Diskurs. Es geht zwischenzeitlich gar nicht mehr um das Gesetz, sondern nur noch um das das Ringen einiger weniger Platzhirsche um die Lufthoheit über dem Brunftplatz der persönlichen Befindlichkeiten. Dabei fallen zwischenzeitlich Vokabeln wie „inkompetente Politiker“, „ideologisch eingefärbte Medien“ und „Schädlingsbekämpfer“ als Synonym für Förster und Waldbesitzer. Ich empfinde das persönlich als zutiefst abstoßend.

Und wie soll es jetzt weitergehen?

Ich kann nur alle Lager dringend zur Mäßigung aufrufen. Wir brauchen eine Novelle des Jagdgesetzes. Aber niemand erweist sich einen Gefallen, weder unsere Jäger noch die Waldbesitzer, wenn in der schwierigen Situation, in der wir uns gegenwärtig befinden, dringend notwendige Veränderungen, wobei ich von Evolution und nicht von Revolution rede, blockiert werden. Die Zukunft der Jagd liegt nicht in „lodengrünen Träumereien“ aus vergangenen Tagen, genauso wenig wie in politisch überzogenen Forderungen hellgrün erleuchteter Forstuniformen, bei denen rein ökonomische Überlegungen und teils sogar Eigeninteressen der eigentliche Vater des Gedankens sind. Die Zukunft der Jagd bedeutet modernes Wildtiermanagement, in Verantwortung für Wild und Kulturlandschaft gleichermaßen.

Und was folgt daraus?

Die Aufgabe kann eigentlich nur darin liegen, den jetzigen zweiten Entwurf in ein Papier sinnvoller Novellierungsvorschläge auf Basis des bestehenden Gesetzes umzuwandeln. Der zuständige oberste Jagdherr der Landesregierung wäre gut beraten, manch langjährig Beteiligte aus dem Spiel zu nehmen. Eine kleine Handvoll unbelasteter Experten unterschiedlicher Lager mit der Ansage in eine Jagdhütte eingesperrt, dass sie erst wieder rauskommen, wenn weißer Rauch aufsteigt, langt hinreichend für den Disput. Sollte das gelingen, dann sollte das Ergebnis ohne weitere Debatte ins Parlament, wo eine finale Befassung ohnehin hingehört.